ACDCA
Austrian Center for Didactics of Computer Algebra



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Kasterl Ziel der Felduntersuchung

5. Forschungsdesign

5.1 Weitwinkeluntersuchung

Um die Lehrer nicht nur in ein strenges Korsett einer durchgehenden "Regieanweisung" zu stecken und um Rückmeldungen über die jedem einzelnen besonders auffallenden Tatsachen zu bekommen, wird eine sogenannte 'Weitwinkeluntersuchung' durchgeführt:

Die Lehrer sammeln ihre Beobachtungen zu
  • Inhalten und Zielen des Mathematikunterrichts
  • Prüfungssituation und Leistungsbeurteilung
  • Handling des Rechners
  • Unterrichtsmethoden und didaktischen Konzepten
  • Motivation und Schülerverhalten

Eine gewisse Strukturierung durch Leitfragen ist dennoch notwendig. Sie sind als Anleitung dafür gedacht, welche Bereiche beobachtenswert sind, ohne dass damit eine Verpflichtung verbunden ist, auf jede Leitfrage zu achten und sie in einem Bericht zu beantworten. Bei den zwei Evaluationsseminaren werden die Beobachtungen zu den Leitfragen zuerst in Kleingruppen gesammelt und danach werden die signifikant auftretenden Beobachtungen von den Klassenkoordinatoren zu einem Leitfragenbericht zusammengestellt.

Beispiele für allgemeine Leitfragen:

  • Wo und in welcher Weise war der TI-92 hilfreich / problematisch / hinderlich ?
  • Gibt es Veränderungen in den Schüleraktivitäten? (Eigenständiger Wissenserwerb / Steuerung durch Lehrer; Veränderungen im Zusammenhang mit Hausübungen; Veränderungen bzgl. Schülermedien: Schulübungsheft, Hausübungsheft, Verwendung des Buches, zusätzliche Materialien; ...)
  • Hat der TI-92 die Lehrerrolle / Unterrichtsorganisation verändert? (Arbeitserleichterung / -erschwernis bei der Vorbereitung, in der Klasse (z.B. bei Hausübungsbesprechung/-kontrolle, Stoff-Neuerarbeitung, Üben)
  • Wie wirkt sich der TI-92 auf die Prüfungssituation aus? (Art der Aufgaben, Dokumentation der Lösungswege, Korrektur, Beurteilung, ...; bitte Unterlagen zum Seminar mitbringen!)
  • Weitere Bemerkungen

Beispiele für klassenbezogene Leitfragen - 5. Klasse:

Ändert sich das Gewicht einzelner Kapitel, Verfahren, Rechenfertigkeiten usw. durch den TI-92?

Funktionen:
Begriffsbildungsprozeß: Möglichkeiten der Visualisierung; parallele Verfügbarkeit verschiedener Darstellungsformen (Tabelle, Graph, Term). Neue Möglichkeiten durch rekursive Modelle.
Anwenden von Funktionen: Hilfe beim Modellbilden; andere Darstellungsformen; approximierende Funktionen. Teststrategien.

Formeln und Rechnen mit Termen:
Auswirkungen der linearen Eingabe. Einfluß auf die Strukturerkennungskompetenz. Darstellungsart des Terms durch den TI-92. Möglichkeit des Substituierens. Veränderung bei der Handkalkülfertigkeit.
Algebraische Grundkompetenz? Veränderung der Komplexität der Terme.

Gleichungen:
Selbsttätigkeit beim Erforschen von Lösungsstrategien. Visualisierung der Äquivalenzumformungen. TI-92 als Black Box? Änderungen bei Anwendungen.

Ungleichungen:
Möglichkeiten und Probleme beim Lösen mit dem TI-92. Lösen durch Visualisieren.

Quadratische Gleichungen, quatratische Funktionen:
Gewichtung und Reihenfolge der Lösungsstrategien: Zerlegen in Linearfaktoren; Visualisieren; Solve-Befehl als Black Box; Formel. Querverbindungen zwischen quadratischen Gleichungen und quadratischen Funktionen.

Logische Begriffe und Mengen:
Einfluß des TI-92 auf den sicheren Gebrauch von ”und”, ”oder”, usw. Module?

Lineare Algebra und Analytische Geometrie:
Begriffsbildung (Vektorbegriff). Rechnen mit Vektoren.
Möglichkeiten der Querverbindung zwischen der konstruktiven Geometrie (Cabri) und der analytischen Geometrie ( Algebrafenster). Module.
Einfluß auf die Darstellungsart (Parameterform, parameterfreie Form usw.)
Lineare Gleichungssysteme: Welche Lösungsalgorithmen? Module?

Darstellen und Analysieren von Daten:
Visualsierung. Nutzen von Tabellen (rasches Aufstellen und Auswerten).
Approximierende Funktionen für reale Datenmengen. Rekursive Modelle.

Rolle des TI-92 bei Projekten:
Lineare Optimierung
Schaltalgebra
Gibt es mehr Möglichkeiten zur Vernetzung von Kapiteln bzw. für fächerübergreifenden Unterricht?

Ein wesentlicher Teil der Evaluation, insbesondere die affektive Komponente und Handlingsfragen werden durch die Aussenevaluation abgedeckt (siehe dazu Kapitel 4.3)

 

5.2 Teleobjektivartige Untersuchungen: Beobachtungsfenster

Die Versuchslehrer haben Untersuchungsaufträge zu enger gefassten Themen erhalten. In der Regel gehört dazu ein vorgegebener Ablaufplan. Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse in den verschiedenen Klassen einer Schulstufe zu erreichen, ist beim Startseminar vor Beginn des Untersuchungsjahres von den Lehrern jeder Schulstufe eine gemeinsame Jahresplanung erstellt worden.
Die Sammlung und Evaluation der Ergebnisse obliegt in der Regel den Klassenkoordinatoren in Zusammenarbeit mit den Versuchslehrern bei den Evaluationsseminaren.

Untersuchungsinstrumente:
Beobachtungsfenster und Rahmenthemen

Ein Beobachtungsfenster ist eine kurze Unterrichtssequenz (2 - 4 Unterrichtseinheiten) und beinhaltet einen sehr eng gefassten Forschungsauftrag: Alle Lehrer einer Schulstufe haben nach einem gemeinsam vereinbarten, strikt einzuhaltenden Unterrichtsplan vorzugehen. Damit das Beobachtungsfenster in allen Klassen etwa zur selben Zeit angesetzt wird, entwerfen die Lehrer beim Seminar im August 1997 eine gemeinsame Jahresplanung. Die Evaluation erfolgt einerseits durch einen Pretest und andererseits durch ein bis zwei Posttests, sowie durch Lehrerbeobachtungen.

Ein Rahmenthema ist ein weiter gesteckter Untersuchungsbereich, meist ein in sich abgeschlossenes mathematisches Kapitel. Häufig wird das Rahmenthema rund um ein Beobachtungsfenster definiert. Der Lehrer plant seine Unterrichtssequenz selbst, zur Unterstützung der Auswertung gibt es Leitfragen. Wesentlich für die Auswertung sind auch Angaben und Ergebnisse von Schularbeiten.

Struktur von Beobachtungsfenstern

Um Beobachtungsfenster vergleichbar zu machen, sollen folgende Punkte berücksichtigt werden:

(1) Untersuchungsbereich
  • Titel und Rahmenthema, aus dem das Beobachtungsfenster stammt
  • Hypothesen
  • Untersuchungsziele
  • Inhalte (Kurzfassung)
(2) Voraussetzungen
  • Mathematische Voraussetzungen
  • TI-Handlingsvoraussetzungen
  • Voraussetzungen in der Schreibweise und der Art der Formulierung
  • Voraussetzungen betreffend die Arbeitsweisen und Methoden (z.B.: Sozialformen, usw.).
    Diese Methoden sollten schon deshalb vorher angewendet werden, damit das Fenster keinen zu großen Bruch im gewohnten Unterrichtsablauf für die Schüler darstellt.
(3) Ziele
  • Ziele des Rahmenthemas inklusive unverzichtbarer Ziele und Inhalte außerhalb des Fensters (Kernbereiche), die angestrebt werden müssen, ohne daß der Unterrichtsablauf vorgeschrieben wird.
  • Ziele des Beobachtungsfensters.
(4) Lernsequenz
  • Inhalte mit Regieanweisungen (Drehbuch)
  • Beispiele für Schulübung und Hausübung
  • Übungsblätter
(5) Evaluation
  • Pretest um die Voraussetzungen zu testen (mathematische Voraussetzungen und Handlingsvoraussetzungen beim TI-92)
  • Posttests: Eventuell ein Test unmittelbar nach Abschluß des Beobachtungsfensters und ein weiterer nach einer gewissen Zeit (z.B.: 2 Monate), um das Behalten zu testen.
  • Schüler- und Lehrerfeedbackbogen

Beispiele für Beobachtungsfenster

3. Klasse
Beobachtungsfenster 1: 'Das direkte und indirekte Verhältnis'
Beobachtungsfenster 2: 'Elementare Algebra – Formeln - Herleiten, Testen und Üben, Expandieren, Faktorisieren, Substituieren und Bearbeitung von Termstrukturen – Fehleranalyse'
5. Klasse
Beobachtungsfenster 1: 'Quadratische Funktionen – quadratische Gleichungen'
Beobachtungsfenster 2: 'Vektorielle analytische Geometrie'
6. Klasse
Beobachtungsfenster 1: 'Einstieg in die Trigonometrie'
Beobachtungsfenster 2: 'Wachstumsprozesse'
7. Klasse
Beobachtungsfenster 1: 'Einführung in die Differentialrechnung'
Beobachtungsfenster 2: 'Einführung in die Binomialverteilung'
 

5.3 Didaktische Prinzipien als Leitprinzipien

(1) Theoretische Grundlage - Das White Box/Black Box-Prinzip

In impliziter Form wurde dieses Prinzip erstmals auf einem Symposium zum Thema 'Symbolic Math in Education' konstruiert, das im Rahmen der ICME-Konferenz 1984 in Adelaide stattfand. Explizit formulierte es Buchberger in einer Arbeit im Jahr 1990. Wie schon in der Einleitung zu diesem Kapitel erwähnt, findet man in diesem Prinzip Elemente des Spiralprinzips wieder, aber das Besondere daran ist, daß eine sinnvolle Realisation dieses didaktischen Konzepts erst bei Nutzung des Computers und insbesondere eines CAS möglich ist.
Es handelt sich dabei um ein rekursives Modell des Unterrichts, das jeweils in zwei Phasen abläuft:
     WHITE BOX-PHASE: PHASE DES VERSTEHENDEN LERNENS
Die Schüler sollen (genetisch oder nach einem wissenschaftsorientierten Ansatz) zu einem Begriff, einem Algorithmus, einem mathematischen Konzept geführt werden. Die in dieser Phase entwickelten Operationen sollen ohne Verwendung des Computers, also 'zu Fuß', vom Schüler ausgeführt werden können. Grundtätigkeiten sollen durch Übung automatisiert werden.

Der Computer soll nur dort verwendet werden, wo Bereiche früherer White Box-Phasen als Black Box genutzt werden, oder allgemeiner, wo er zur Erhellung der aktuellen White Box beitragen kann.

Mögliche Aktivitäten in der White Box-Phase:
  • Formulieren eines Problems; Finden einer Vermutung; Entwickeln eines Begriffs; Entwickeln eines Algorithmus; Beweisen.
  • Rechnen ausreichend vieler Übungsaufgaben ohne CAS; experimentelles Lernen mit Unterstützung des Computers; CAS-unterstütztes Nutzen von Black Boxes, die in früheren White Boxes erforscht wurden.
  • Diskussion der Lösungsfälle, der Grenzen und der Verallgemeinerungsmöglichkeiten der Methode; eigenständiges Entwickeln von Modulen, die in der Black Box-Phase als Black Boxes genutzt werden können.

Black Box-Phase: Phase des erkennenden und begründenden Anwendens

Die Schüler sollen die in der White Box-Phase entwickelten Algorithmen und Konzepte bei praktischen Problemen oder bei weiteren White Box-Phasen passend einsetzen. Das Bearbeiten des Algorithmus wird dem Computer als Black Box überlassen. Die Schüler sollen entscheiden, was zu tun ist, eventuell seine Entscheidung auch begründen, er muß es aber nicht mehr selbst tun.

Die Rekursivität besteht darin, daß man während einer bestimmten White Box-Phase Bereiche, die in einer in der Hierarchie niedrigeren White Box-Phase verstehend gelernt und entwickelt wurden, als Black Boxes nutzt usw. Das Gebäude der Mathematik entwickelt sich also als ein System ineinandergeschachtelter White und Black Boxes.

(2) Einteilung und Beispiele

Das globale White Box/Black Box Prinzip
Ein "computerunterstütztes Spiralprinzip", ein rekursives Modell des Unterrichts in Form ineinander geschachtelter White und Black Boxes. Neue Inhalte werden in einer White Box erforscht und dabei wird bei schon früher erworbenen Inhalten und Fertigkeiten das CAS als Black Box genutzt.
Beispiele:
Die "globalste Form" einer solchen Sequenz von White und Black Boxes beginnt etwa in der dritten Klasse beim Einstieg in die elementare Algebra und geht bis zur Anwendung der Analysis in der achten Klasse.
.........................................

5.4 Außenevaluation

5.4.1 Die Erhebungsinstrumente

Von der Abteilung Evaluation und Schulforschung des ZSE wurden für die Schüler- und Lehrerbefragungen im Rahmen des Forschungsprojekts 'Der Mathematikunterricht im Zeitalter der Informationstechnologie: Felduntersuchung mit dem TI 92' unter Berücksichtigung von Ergebnissen aus dem derive-Projekt (Schuljahr 1993/94) Instrumente entwickelt, die die Einstellungen und Einschätzungen sowie Wahrnehmungen über Veränderungen des Unterrichts von Schülern allgemeinbildender höherer Schulen durch den Einsatz des TI 92 im Mathematikunterricht thematisieren. Die Lehrer wurden über ihre Einschätzungen, Meinungen und Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Einsatz des Symbolrechners TI 92 sowie dessen Auswirkungen auf Einstellungen, Lernerfolge und Motivation der Schüler zu Beginn und zum Ende des Schuljahres 1997/98 befragt. Die Beantwortung der Fragen erfolgte weitgehend auf 5stufigen Antwortskalen. In offenen Fragen konnten sich Schüler wie auch Lehrer schriftlich zu Problemen im Zusammenhang mit dem Einsatz des TI 92 äußern.

5.4.2 Beschreibung der Stichprobe und Durchführung der Untersuchung

In die Befragung waren alle Mathematiklehrer von 70 Forschungsklassen an allgemeinbildenden höheren Schulen einbezogen. An der Erhebung im August 1997 nahmen 65 und im Juni 1998 64 Lehrpersonen (36 % Lehrerinnen und 64 % Lehrer) teil. Von 59 Lehrern liegt ein Fragebogen von beiden Erhebungszeitpunkten vor. Die Frage nach Erfahrungen mit Einsatz von CAS im Mathematikunterricht haben von der Schnittmenge zu Beginn des Versuchsjahres 31 Lehrer verneint. 28 Lehrer geben an, daß sie bereits mindestens ein Jahr mit CAS gearbeitet haben. Die Anteile der erfahrenen und nicht erfahrenen Lehrer im Umgang mit CAS halten sich also annähernd die Waage. Zur Teilnahme an diesem Evaluationsvorhaben wurden alle 46 Schulen eingeladen (Zwei Schulen haben an der Erhebung nicht teilgenommen.) Die Schülerbefragung in den Forschungsklassen wurde vom jeweiligen Mathematiklehrer durchgeführt. In 65 der 70 am Projekt teilnehmenden Klassen (Stand: 25. Juli 1998) wurde die Schülerbefragung im Juni 1998 durchgeführt. Der Auswertung liegen insgesamt 1380 Schülerfragebögen zugrunde. Die Rücklaufquote bei der Schülerbefragung beträgt 88 %. Die restlichen 12 % gehen zu Lasten der Abwesenheit von Schülern am Untersuchungstag.

Verteilung auf die Schulstufen

7. Schulstufe 9. Schulstufe 10. Schulstufe 11. Schulstufe Insgesamt!
N wbl N wbl N wbl N wbl N wbl
238 82 466 181 474 253 202 83 1380 599

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